In den Jahren 1970 bis 1972 arbeitete er an der University of Texas in Austin, zuerst mit George Sudarshan über Probleme in der Quantenfeldtheorie, u. a. Dispersionsrelationen. Dann begann er mit Jagdish Mehra eine Zusammenarbeit zu Fragen der Wissenschaftsgeschichte, die sich über zwei Jahrzehnte erstreckte, und zu einem umfassenden Werk in 6 Bänden führte: „The historical development of quantum theorie“, das international große Anerkennung fand.
Mehrere Forschungsaufenthalte führten ihn nach Genf, Brüssel und Krakau, sowie an die Northwestern University in Evanston (Illinois) und Kyoto. In dieser Zeit verfasste er mehrere Arbeiten mit Laurie Brown, darunter ein Buch über die frühe Geschichte der Teilchenphysik „On the origin of nuclear forces“ (1996). Ein weiterer Schwerpunkt seines Arbeitens bestand im Erstellen von Biographien, insbesondere über Hermann von Helmholtz (1994) sowie, geschrieben mit H.-R. Bachmann, über Walther Gerlach (1989).
In seiner letzten Schaffensperiode widmete er sich der wissenschaftlichen Biographie seines hoch verehrten Doktorvaters. Der erste Teil „Werner Heisenberg – Die Sprache der Atome“ bis zu seinem Nobelpreis in 1933 erschien 2009. Zum nachfolgenden Lebensabschnitt veröffentlichte er eine Reihe von Einzeluntersuchungen, so insbesondere zu den Arbeiten des „Uranvereins“ während des Krieges an einem Kernreaktor unter der Leitung Heisenbergs und auch zu der von Lenard und Stark propagierten „Deutschen Physik“.
Offiziell trat er 2002 in den Ruhestand, arbeitete jedoch an seinem Projekt der „Biographie von Werner Heisenberg“ weiter, bis ihm seine Krankheit die Feder aus der Hand nahm.
In den Jahren 1991 bis 2006 war er Vorstandsmitglied des Fachverbands Physik-geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Den Lesern der „Physikalischen Blätter“ war er bekannt durch seine zahlreichen Beiträge mit biographischem Charakter. Seit 1977 war er Kurator des Heisenberg-Archivs im MPI und gefragter Ansprechpartner für alle diesbezüglichen Fragestellungen, auch von außerhalb. Er war Herausgeber, mit Walter Blum und Hans-Peter Dürr, der gesammelten Werke Heisenbergs. Er gestaltete, unter tätiger Mithilfe der Werkstatt, zahlreiche Ausstellungen wie z.B. im Atomkeller-Museum des Forschungsreaktors Haigerloch. Sein soziales Engagement im Institut zeigte sich in der intensiven und erfolgreichen Mitarbeit im Betriebsrat.
Auf die Mitteilung seines Todes antwortete Prof. Klaus Gottstein in einem Brief: „Helmut Rechenberg war mir über Jahrzehnte in wissenschafts-historischen Fragen ein kundiger und engagierter Gesprächspartner. In vielen Einzelarbeiten, Nachrufen und Jubiläumsartikeln trat sein großes Wissen zutage – besonders über die Geschichte der Quantenmechanik. Davon konnte auch die Heisenberg-Gesellschaft profitieren, für deren Webseite er eine gute Kurzbiographie Heisenbergs schrieb. Es ist tragisch, dass er seine monumentale Biographie Heisenbergs für den Springer-Verlag infolge seiner Erkrankung nicht vollenden konnte. Immerhin liegen die ersten beiden Bände vor. Helmut Rechenberg wird von seinen Freunden und Kollegen vermisst werden. Sie werden sich seiner noch lange erinnern.“
München, den 16.11.2016
Michael Aderholz
Wolfgang Ochs
Allen Caldwell (Geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Physik)