Neutrinos sind sehr leichte Teilchen, die kaum wechselwirken und daher alle Materie durchdringen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sie werden in der Sonne erzeugt, spielen eine wichtige Rolle in Supernova-Explosionen und bei der Entstehung der Elemente am Beginn des Universums.
Warum ist der neutrinolose doppelte Beta-Zerfall (0nßß) so wichtig? Theoretische Überlegungen und die Tatsache dass Neutrinos eine Masse* haben, legen nahe, dass sie – anders als alle anderen Teilchen – auch ihre eigenen Antiteilchen sind. Dann müsste der 0nßß-Zerfall existieren und in Material wie Germanium-76 zu beobachten sein.
Der Nachweis dieser auch "Majorana-Eigenschaft" genannten Besonderheit könnte auch erklären, warum im heutigen Universum fast keine Antimaterie zu finden ist. Weltweit suchen mehr als zehn Experimente nach dem radioaktiven Zerfall; sie bedienen sich dabei unterschiedlicher Methoden.
Germanium: Quelle und Detektor in einem
Das GERDA-Experiment nutzt Germanium-76 sowohl als Quelle als auch als Detektormaterial für den Zerfall. Wenn zwei Germaniumkerne gleichzeitig zerfallen, werden zwei Elektronen und zwei Neutrinos frei. Sollte das Neutrino sein eigenes Antiteilchen sein, könnten sich die beiden Neutrinos gegenseitig auslöschen.
"Die gesamte im Zerfall freigesetzte Energie würde dann auf die Elektronen übertragen – diese genau bekannte Energie ist die Signatur nach der wir suchen", erklärt Béla Majorovits vom Max-Planck-Institut für Physik und Technischer Koordinator von GERDA.
Mit einer Halbwertszeit von mehr als 5 x 1025 Jahren – viele Milliarden mal das Alter des Universums – wäre der Zerfall allerdings extrem selten. Die Abschirmung des Experiments vor natürlicher Strahlung, dem so genannten Untergrund, hat daher größte Bedeutung.
"Die Erde wird ständig mit Teilchen aus dem Kosmos bombardiert, dazu kommen natürliche radioaktive Strahlungsquellen", sagt Majorovis. "Würden diese Teilchen ungefiltert auf die Detektoren einprasseln, wäre es unmöglich, den 0nßß-Zerfall nachzuweisen."
Gut verzahnte Schutzstrategien
Das GERDA-Experiment ist daher gut geschützt: Es steht im Untergrundlabor Laboratori Nazionali del Gran Sasso des INFN, unter 1.400 Metern massivem Felsgestein. Das Experiment selbst ist doppelt abgeschirmt: die Germaniumdetektoren sind in einen Tank eingelassen, in dem sich auf -190 Grad Celsius gekühltes flüssiges Argon befindet. Damit wird vom Tank ausgehende Strahlung weitgehend absorbiert.
Der Tank wiederum befindet sich in einem Container mit hochreinem Wasser. Und auch für den seltenen Fall, dass sich doch Myonen oder andere Teilchen in den Argontank "verirren", haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorgesorgt. Mit einem System aus verschiedenen Lichtsensoren können diese Teilchen entdeckt und ihre Signale verworfen werden.
Jetzt meldet GERDA in Nature einen wichtigen Erfolg: Das Experiment ist im relevanten Energiebereich strahlungsfrei – so steigen die Chancen, den neutrinolosen doppelten Beta-Zerfall nachzuweisen. Die aktuellen Messungen laufen seit fünf Monaten – bisher ohne Anzeichen für einen 0nßß-Zerfall. Noch bis Mitte 2019 werden die Daten aufgezeichnet.
*Im Jahr 2015 erhielten Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald den Nobelpreis für ihren Beweis, dass Neutrinos Masse besitzen.
Publikation:
Background-free search for neutrinoless double-b decay of 76-Ge with GERDA; Nature, 06 April 2017
GERDA Collaboration
DOI:10.1038/nature21717
Kontakt:
Dr. Béla Majorovits
Technischer Koordinator GERDA
Max-Planck-Institut für Physik
+49 89 32354-262