Mit MADMAX entsteht derzeit ein Experiment, das ein bisher unbekanntes Teilchen finden soll. Das gesuchte Axion könnte zwei zentrale Fragen in der Teilchenphysik beantworten: Woraus besteht Dunkle Materie und weshalb ist die Wechselwirkung, die Atomkerne zusammenhält, so symmetrisch? Im internationalen MADMAX-Team arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn Forschungsinstituten, zusammen mit einem Künstler: Der Schweizer Olivier Rossel begleitet das Projekt bereits seit 2018. Vor kurzem hat er seine Doktorarbeit „Intra-Axion!“ an der Brandenburgischen Technischen Universität begonnen. Sein Thema: „Wie Kunst, Popkultur und experimentelle Physik gemeinsam nach Dunkler Materie suchen.“
Das MADMAX-Projekt wurde im Jahr 2017 von Forschern am Max-Planck-Institut für Physik initiiert; realisiert wird es am DESY in Hamburg. Für die Suche nach dem Axion-Teilchen entsteht ein technisch und organisatorisch sehr anspruchsvolles Experiment, das für alle Beteiligten Neuland ist und große Herausforderungen birgt. Diese besondere Situation motivierte Olivier Rossel, das Projekt aus der Perspektive der Kunst zu betrachten – und Überschneidungen von künstlerischen und wissenschaftlich-experimentellen Schaffensprozessen zu untersuchen.
„Jedes Kunstwerk ist ein Experiment. Man kann zu Beginn kaum sagen wohin es sich entwickelt und welche Auswirkungen es haben wird“, erklärt Olivier Rossel. „Umgekehrt haben Forschungsprojekte wie MADMAX einen sehr großen kreativen Anteil und tragen so ein wesentliches Merkmal der Kunst. In beiden Disziplinen müssen die Beteiligten immer wieder ihre Blickwinkel verändern, weil neue Frage- oder Problemstellungen ein Um- und Neudenken erfordern.“
Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Terminologie
Der forschende Künstler steht in regelmäßigem Austausch mit dem internationalen Forschungsteam. In seiner Arbeit interessiert er sich insbesondere für die kommunikativen und handwerklichen Praktiken innerhalb des MADMAX-Verbundes. Da viele Vorgänge und Techniken neu sind, brauchen die Forschenden eine gemeinsame Terminologie. Konkret geht es um (Sprach-)Bilder, Formulierungen und um spezielle, auch gestische Codes, die sich innerhalb des Verbundes entwickeln und maßgeblich zur Forschung nach Axionen beitragen.
„Ich erlebe, wie Forschende Begriffe prägen und neuartige Bilder und Grafiken als ihre Werkzeuge nutzen. „Eine Software nennt sich beispielsweise ‚Dancing Caterpillar‘“, sagt Olivier Rossel. „Und ein Wissenschaftler spricht im Zusammenhang mit Abbildungen seiner Messungen von ‚Little monsters‘ und fragt sich nach deren Potential, neues Wissen über unser Universum zu generieren.“ Der Künstler untersucht an dieser Stelle spezifisch, wie popkulturelle Einflüsse mit dem Experiment in Wechselwirkung geraten. Er ergründet beispielsweise, wie sich kunstnahe Videospiele und experimentelle Physik gegenseitig beeinflussen.
Bereicherung für das MADMAX-Team
Derzeit ist Olivier Rossel dabei, verwertbare Daten zu sammeln und erkenntnistheoretischen Fragen auf den Grund zu gehen. Bereits jetzt kommt er zu dem Schluss, dass „das Entwickeln und Hervorbringen neuartiger Denk- und Handlungsweisen durch die beteiligten Forscher*innen genauso eine wichtige Rolle spielt wie das Konzipieren und Bauen neuer Messapparaturen am Rande der technischen Machbarkeit.“
„Für das MADMAX-Team ist Oliviers Anwesenheit immer eine große Bereicherung, sagt Béla Majorovits, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Physik und Sprecher des MADMAX-Verbundes. „Indem er uns quasi einen epistemischen Spiegel vor die Nase hält, triggert er nicht nur einen kritisch kreativen Gedankenaustausch, sondern führt uns gleichermaßen die positiven wie negativen Effekte unserer oft unterbewusst genutzten Kommunikationsmethoden vor Augen.“