Johannes Henn leitet seit 2015 eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe für theoretische und mathematische Physik an der Universität Mainz. Sein Amt als Direktor am MPI für Physik übt er zunächst in Teilzeit aus, bevor er im Oktober 2018 ganz ans Institut wechselt.
Seine wissenschaftliche Laufbahn begann der gebürtige Münchener mit einem Physikstudium, das er an der Universität Augsburg, der Université de Savoie sowie an der Ecole Normale Supérieure de Lyon absolvierte. An den französischen Universitäten entdeckte Henn sein Interesse für Elementarteilchenphysik. „Ich hatte das Glück, dass die meisten meiner Dozenten Elementarteilchenphysiker waren“, sagt Henn. „Dieses faszinierende Thema hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.“
Nach seiner Promotion am Laboratoire d'Annecy-Le-Vieux de Physique Théorique forschte er drei Jahre als Postdoc an der Humboldt-Universität Berlin. Von dort führte ihn sein Weg an das Institute for Advanced Study (IAS) in Princeton, eine der weltweit besten Forschungsadressen für Teilchenphysik.
Forschen an der Schnittstelle von Theorie und Experiment
Henns Forschungsgebiet ist die Elementarteilchenphysik, also die Frage nach den Grundbausteinen der Materie, und nach welchen Naturgesetzen diese miteinander wechselwirken. Theoretische Physiker entwickeln eine mathematische Beschreibung der Elementarteilchenphysik, mit deren Hilfe Vorhersagen für Experimente gemacht werden können, um so die Theorie zu testen. Aktuell wird das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik am Teilchenbeschleuniger CERN in Genf getestet.
Die Teilchenkollisionen am CERN sind auch aus theoretischer Sicht hochinteressant. Mathematisch beschrieben werden sie durch sogenannte Streuamplituden in der Quantenfeldtheorie. Streuamplituden können durch sogenannte Feynman-Diagramme visualisiert werden, die für komplizierte mathematische Ausdrücke stehen. Deren Berechnung stellt eine Herausforderung dar.
Oft stellt sich heraus, dass nach mühsamen Rechnungen ein unerwartet einfaches Ergebnis herauskommt. „So etwas stachelt theoretische Physiker an. Sie versuchen, den Grund dafür zu finden. Oft ist es ein Hinweis darauf, dass man etwas besser verstehen könnte.“ Zum Beispiel fanden Henn und seine Kollegen 2009 eine versteckte Symmetrie von Streuamplituden, die die Struktur der Antworten erklärt und weitere Rechnungen erheblich vereinfacht.
„Die Untersuchung von Streuamplituden zählt zu den innovativsten Forschungsfeldern in der weltweiten Teilchenphysik und bringt laufend neue, überraschende Entdeckungen hervor“, so Henn.
Dieses Thema ist an der Schnittstelle verschiedener Forschungsgebiete, wie zum Beispiel der Phänomenologie von Elementarteilchen, der Stringtheorie und der Mathematik. „Dadurch ergibt sich eine bemerkenswerte Dynamik und Synergie, da Forscher mit unterschiedlichen Spezialkenntnissen neue Ideen einbringen.“
Neue Methoden für die Teilchenphysik
Henn selbst promovierte beispielsweise zu einem Thema, das sich mit grundlegenden Eigenschaften der Quantenfeldtheorie befasst. Aus diesem sehr formalen Zugang heraus entwickelte er 2013 in Princeton eine neue Technik für die Berechnung von Feynman-Integralen, die mittlerweile viele Anwendungen in der Phänomenologie von Elementarteilchen gefunden hat.
Für seine Forschungsarbeiten wurde Henn mehrfach ausgezeichnet. 2015 wurde ihm mit der Berufung zum W3-Professor an der Universität Mainz ein GFK-Fellowship verliehen. 2017 erhielt er einen ERC Consolidator Grant – mit zwei Millionen Euro eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU – um seine Forschung zu finanzieren.
Am Max-Planck-Institut für Physik sieht er optimale Rahmenbedingungen für seine Arbeit. „Für Theoretiker ist der Austausch mit den internationalen Fachkollegen sehr wichtig, ebenso wie eine Atmosphäre, die das Nachdenken und neue Überlegungen fördert“, erläutert Henn. „Diese Aspekte sind tief in der Forschungsphilosophie der Max-Planck-Gesellschaft verankert. Sie pflegt eine Kultur, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den Mittelpunkt stellt, in der sie jede Unterstützung erhalten, um sich voll und ganz auf ihre Forschung zu konzentrieren.“