Der Krebspulsar ist der Überrest einer Supernova-Explosion aus dem Jahr 1054. Der Neutronenstern hat einen Durchmesser von nur ungefähr 10 Kilometern und rotiert etwa 30 Mal pro Sekunde um die eigene Achse. Wie ein Leuchtturm sendet er dabei Lichtpulse aus, die sich über das gesamte elektromagnetische Spektrum erstecken – von langen Radiowellen über sichtbares Licht bis hin zu kurzwelligen, energiereichen Gammastrahlen.
Magnetfelder: Motor für Lichtenergie
Mit Hilfe des MAGIC-Teleskops haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Photonen, also Lichtteilchen entdeckt, deren Energie um ein Vielfaches höher liegt als bisher beobachtet. Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die höchste Energie am Krebspulsar bei 6 GeV (Gigalektronenvolt) liegt.
Im Jahr 2008 registrierte das MAGIC-Teleskop ein Energiespektrum von über 25 GeV. 2012 übertrumpfte das Observatorium sein eigenes Ergebnis mit Messungen von 400 GeV. Inzwischen hat MAGIC Gammastrahlen bis zu 1,5 TeV (Teraelektronenvolt) gemessen. Allerdings können die Forscher noch nicht erklären, wie die geladenen Teilchen auf die extrem hohen Energien beschleunigt werden.
"Bei der Erzeugung energiereicher Teilchen spielt das für Neutronensterne typische enorm starke Magnetfeld eine zentrale Rolle, das seinerseits extrem starke elektrische Felder erzeugt", sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher des MAGIC-Kollaboration und Projektleiter am Max-Planck-Institut für Physik. "In der magnetisch geladenen, komplexen Atmosphäre des Neutronensterns werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, bevor sie zerstrahlen.
In diesem Modell lassen sich Gammastrahlenergien bis zu wenigen Gigaelektronenvolt als Synchrotron- und Krümmungsstrahlung erklären. Für die jetzt beobachteten Gammapulse von über 1,5 TeV muss es aber einen anderen Mechanismus geben.
Wo am Neutronenstern entsteht die hochenergetische Strahlung?
"Wir können extrem energiereiche Gammastrahlen nur dann beobachten, wenn es diesen Elektronen irgendwie gelingt, der komplexen Topologie des Magnetfeldes am Neutronenstern zu entkommen und sich im elektrischen Feld zu beschleunigen", erläutert Mirzoyan. "Dann bilden sie zusammen mit den energieschwächeren Radiowellen und Röntgenstrahlen den Lichtkegel des Pulsars."
Für die "Flucht" der Gammastrahlen kommt ein indirekter Weg in Frage: Dabei werden nicht die direkt vom Pulsar ausgehenden Elektronen und Positronen gestreut, sondern ihre beschleunigten Abkömmlinge der zweiten oder dritten Generation. Diese entstehen am äußersten Rand des Magnetfeldes in etwa 1.500 Kilometern Höhe.
Vereinfacht gesagt, wechselwirken hier energiereiche geladene Teilchen mit UV- und Röntgenstrahlen sowie dem Magnetfeld. Anschließend übertragen die sekundären Teilchen ihre Energie auf niedrigenergetische Photonen und machen sie damit zu energiereichen Gammaquanten – die das Magnetfeld verlassen. Diese Energieübertragung bezeichnet man als inversen Compton- Mechanismus.
Mittels inversem Compton-Effekt könnten sich Gammaphotonen auch im Pulsarwind, weit vom Pulsar entfernt, bilden – wo die beschleunigte Teilchen ebenfalls auf Röntgenstrahlen treffen können.
Allerdings kommt die extreme Gammastrahlung exakt zur gleichen Zeit am MAGIC-Teleskop an wie energieärmere Radiowellen oder Röntgenstrahlen – von denen man weiß, dass sie im Inneren des Magnetfelds entstehen.
"Das würde bedeuten, dass die gesamte Strahlung in einer relativ kleinen Region am Rand des Magnetfeldes produziert wird oder die energiereiche Gammastrahlung eine Art 'Erinnerung' an Strahlung niedrigerer Energie behält. Zum heutigen Zeitpunkt kann man annehmen, dass der inverse Compton-Mechanismus die Existenz derart energiereicher Gammastrahlen am Pulsar erklären kann. Langfristig brauchen wir aber neue, detaillierte theoretische Modelle, die das Phänomen beschreiben", so Mirzoyan abschließend.
Für die jetzt veröffentlichten Ergebnisse haben die MAGIC beteiligten Wissenschaftler 320 Beobachtungsstunden zwischen Oktober 2007 und April 2014 ausgewertet.
Publikation:
Kontakt:
Dr. Razmik Mirzoyan
Max-Planck-Institut für Physik
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