Im Belle II-Experiment werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, zur Kollision gebracht. Dabei entstehen B-Mesonen, Paare aus einem Quark und einem Anti-Quark. In früheren Experimenten (Belle und BaBar) konnten Wissenschaftler beobachten, dass der Zerfall von B-Mesonen und Anti-B-Mesonen unterschiedlich verläuft (1).
Dieses Phänomen bezeichnet man als CP-Verletzung (2). Sie bietet einen Anhaltspunkt für die Frage, warum das Universum kaum Antimaterie enthält – obwohl nach dem Urknall beide Materieformen zu gleichen Teilen vorhanden gewesen sein müssen.
Findet Belle II neue Physik?
„Allerdings ist die beobachtete Asymmetrie zu klein, um das Fehlen der Antimaterie zu erklären“, sagt Hans-Günther Moser vom Max-Planck-Institut für Physik. „Wir suchen daher nach einem stärkeren, bisher unbekannten Mechanismus, der die Grenzen des heute gültigen ‚Standardmodells der Teilchenphysik‘ sprengen würde. Um diese neue Physik zu finden und statistisch zu belegen, müssen Physiker allerdings viel mehr Daten als bisher erheben und auswerten.“
Um diese Aufgabe zu bewältigen, wurden der frühere KEK-Beschleuniger und Belle – Laufzeit 1999 bis 2010 – komplett modernisiert. Sie firmieren jetzt unter den Namen Belle II und SuperKEKB. Die wesentliche Neuerung ist die 40fach gesteigerte Luminosität, die Anzahl der Teilchenkollisionen pro Zeit und Flächeneinheit.
Dafür haben Wissenschaftler und Techniker den Querschnitt des Teilchenstrahls stark verkleinert; zugleich lässt sich die Anzahl der eingeschossenen Teilchenpakete verdoppeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilchen tatsächlich aufeinandertreffen steigt damit erheblich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können so künftig die 50fache Datenmenge auswerten.
Hochpräzise Aufzeichnung der Teilchenspuren
Allerdings stellt das Plus an Daten hohe Anforderungen an die Analysequalität des Detektors. Nach der Teilchenkollision zerfallen die B-Mesonen auf einer mittleren Flugstrecke von nur 0,1 Millimetern – die Detektoren müssen also sehr schnell und präzise arbeiten. Dafür sorgt ein hochsensibler Pixel-Vertex-Detektor, der zu großen Teilen am Max-Planck-Institut für Physik und dem Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft entwickelt und gebaut wurde (3). Insgesamt hat der Detektor 8 Millionen Pixel und liefert 50.000 Bilder pro Sekunde.
„Im Pixel-Vertex-Detektor sind einige spezielle Technologien verbaut“, erklärt Moser. „Wenn neue Teilchenpakete in SuperKEKB eingespeist werden, die anfangs sehr großen Untergrund erzeugen, können wir den Detektor für etwa 1 Mikrosekunde blind schalten. Auf diese Weise lassen sich nicht-relevante Signale ausblenden.“ Außerdem sind die Sensoren des Detektors mit 75 Mikrometern lediglich so dünn wie ein menschliches Haar. Damit wollen die Physiker vermeiden, dass die Teilchen beim Durchgang durch Materie gestreut werden.
Mit dem Erreichen des Messbetriebs geht ein großes Bauprojekt zu Ende. Neun Jahre lang haben Wissenschaftler, Ingenieure am Umbau und der Modernisierung gearbeitet. Der jetzt gestartete erste Run dauert bis zum 1. Juli 2019. Nach einer kurzen Wartungspause laufen SuperKEKB und Belle II dann im Oktober 2019 wieder an.
Die durch das BMBF finanzierte Verbundforschungsförderung für Belle II ist eingebettet in das Rahmenprogramm Erforschung von Universum und Materie (ErUM).
(1) Für diese Entdeckung erhielten die japanischen Professoren Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa 2008 den Physik-Nobelpreis.
(2) Charge/Parity, deutsch: Ladung/Parität
(3) An Entwicklung und Bau des Pixel-Vertex-Detektors waren elf Forschungseinrichtungen beteiligt: Exzellenzcluster Universe, DESY, Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft, Forschungszentrum Jülich, Ludwig-Maximilians-Universität München, Karlsruhe Institut für Technologie, Max-Planck-Institut für Physik, Technische Universität München, Universität Bonn, Universität Gießen, Universität Göttingen, Universität Mainz, Universität Heidelberg.
Kontakt:
Dr. Hans-Günther Moser
Max-Planck-Institut für Physik
+49 89 32354-248