Beim bisher nicht nachgewiesenen neutrinolosen Doppelbeta-Zerfall wandeln sich zwei Neutronen eines (Atom-)Kerns – hier Germanium-76 – gleichzeitig in zwei Protonen um. Dabei würde man die Emission von je zwei Elektronen und Anti-Neutrinos erwarten. Wenn sich der Zerfall ohne Neutrinos abspielt, wäre das ein Hinweis auf neue Physik: Die Messung weist dann auf eine Verletzung der Leptonzahl hin – und würde belegen, dass Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind. Für die Teilchenphysik und die Kosmologie wäre das ein hoch bedeutsames Ergebnis, das unter anderem erklären könnte, warum im Universum so viel mehr Materie als Antimaterie zu finden ist.
Kein Nachweis, aber hochpräzise Messungen
Zwar konnte GERDA den neutrinolosen doppelten Betazerfall nicht nachweisen. Mit den finalen GERDA-Messungen ließ sich jedoch die die mittlere Zerfallsdauer von Germanium-76 durch den gesuchten Zerfall auf mindestens 1,8 mal 1026 Jahre präzisieren. „So lange dauert es statistisch, bis sich zwei Neutronen in einem Germanium-76-Kern per neutrinolosen doppelten Betazerfall umwandeln“, erklärt Anna Zsigmond, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Physik. „Das sind 16 Größenordnungen mehr als das Alter des Universums. Außerdem gelang es uns, störende kosmische und radioaktive Strahlung weitgehend zu eliminieren. Damit hätten wir die ‚echten‘ Signale des Zerfalls eindeutig identifizieren können.“
Die Messungen des GERDA-Experiments starteten 2011 im Gran Sasso-Untergrundlabor (Laboratori Nazionali del Gran Sasso) des INFN in Italien. Dort bilden 1.400 Meter Felsgestein eine erste wirkungsvolle Barriere gegen kosmische Strahlung. GERDA bestand aus 41 Germanium-Detektoren mit einer Masse von insgesamt 44,2 Kilogramm und einer Anreicherung des Isotops Germanium-76 von 86 bis 88 Prozent. Das Besondere an Germanium-76: Das Material ist gleichzeitig Quelle und Detektor für den Zerfall.
Maximaler Schutz vor störenden Einflüssen
Anders als bei früheren Experimenten verzichtete man bei GERDA darauf, die Detektoren einzukapseln. Diese werden direkt in ultrareinem flüssigem Argon gekühlt, das auch Schutz vor radioaktiver Strahlung bietet. Denn trotz sorgfältigster Tests ist nicht zu verhindern, dass die für das Experiment verwendeten Materialien extrem schwach radioaktiv sind und deswegen die Messungen beeinträchtigen.
Um die Signale dieser radioaktiven Zerfälle erkennen zu können, wurde der Argonbehälter zusätzlich mit Lichtdetektoren ausgestattet. Zusätzlich kann Störstrahlung durch die Zeitverteilung der einzelnen Signale im Germanium-Detektor identifiziert werden. Um die Detektoren vor kosmischer Strahlung und Radioaktivität aus der Umgebung abzuschirmen, ist der Argon-Kryostat in einen Wassertank eingelassen. Um die Vorteile des weitgehend störungfreien Setups bestmöglich zu nutzen, hat der GERDA-Forschungsverbund neuartige Detektoren und Analysemethoden entwickelt.
Die Zukunft heißt LEGEND
Die Erfahrungen mit GERDA zeigen, dass sich auch größere Germanium-Experimente weitgehend ohne Störeinflüsse betreiben lassen. Das Nachfolger-Experiment LEGEND befindet sich bereits in den Startlöchern. In der ersten Phase planen die beteiligten Forschungseinrichtungen, Germanium-Detektoren mit einer Masse von insgesamt 200 Kilogramm in die leicht angepasste GERDA-Infrastruktur einzusetzen.
„Die Messungen dieser ersten Phase werden voraussichtlich im Jahr 2021 beginnen, sagt Zsigmond. „Schrittweise wird LEGEND dann auf 1.000 Kilogramm Germanium hochgerüstet. In der finalen Phase des Experiments lässt sich das Entdeckungspotenzial für den neutrinolosen doppelten Betazerfall so auf über 1028 Jahre verbessern.“