Mit der Beobachtung von GRB 190114c, so die astrophysikalische Bezeichnung, konnte der MAGIC-Forschungsverbund nachweisen, was Astrophysiker*innen lange vermutet hatten: Dass Gammablitze im Teraelektronenvolt (TeV)-Bereich leuchten – dem allerhöchsten Energiebereich (1).
Für etwa 30 Sekunden war das Nachglühen (Afterglow) des Gammablitzes mehr als 100 Mal so stark wie der Krebsnebel, die hellste bekannte Quelle in unserer Galaxie. Danach schwächte sich das Signal relativ schnell ab. Schon nach einer halben Stunde konnte MAGIC keine Emissionen mehr messen.
Schnell am richtigen Ort
Das Energiemonster wurde zunächst von den Satelliten Swift und Fermi gesichtet. Nach 22 Sekunden alarmierten die beiden Späher der US-Raumfahrtbehörde NASA verschiedene Teleskope, darunter auch das MAGIC-Duo auf La Palma mit jeweils 17 Metern Spiegel-Durchmesser.
Gammablitze von der Erde aus anzupeilen ist eine schwierige Aufgabe, wie Razmik Mirzoyan, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Physik und Sprecher des MAGIC-Forschungsverbundes, erklärt: „Diese Objekte können jederzeit irgendwo am Himmel aufleuchten – und rasch wieder verschwinden. Deswegen setzen die MAGIC-Teleskope auf ein vollautomatisiertes System, um Satellitensignale zu verarbeiten.“
Wenn ein Himmelskörper von ihrem Standort aus zu sehen ist, lassen sich die Teleskope mit einem leistungsstarken Antrieb sehr schnell in Position bringen. „Trotz ihres Gewichts von jeweils 64 Tonnen können die Teleskope in kürzester Zeit auf neue Himmelsziele einschwenken – beim aktuellen Gammablitz waren es nur 27 Sekunden nach dem ersten Alarm“, sagt Mirzoyan.
Nur wenige Stunden später begannen mehr als zwei Dutzend weitere Instrumente damit, das Himmelsereignis zu verfolgen. Mit Beobachtungen vom Radiofrequenz-Bereich bis hin zu Gammastrahlen haben Wissenschaftler*innen jetzt ein detailreiches Bild von diesem Gamma-Ausbruch. Mithilfe optischer Teleskope ließ sich auch die Entfernung von GRB190114c taxieren: Für kosmische Maßstäbe ereignete sich der Gammablitz sozusagen „um die Ecke“ in einer etwa 4,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie
Was treibt die Energie auf Rekordwerte?
Auch 50 Jahre nach ihrer ersten Beobachtung ist unklar, welche physikalischen Prozesse sich bei Gammablitzen abspielen. Dass Gammablitze derart energiereiche Photonen aussenden, hatten einige theoretische Modelle vorhergesagt; der Nachweis war aber bis zur aktuellen Entdeckung ausgeblieben. Doch welcher Mechanismus ist dafür verantwortlich?
Gammablitze strahlen in unterschiedlichen Energiebereichen. Die bisher beobachteten energieärmeren Emissionen im Nachglühen führen Wissenschaftler*innen auf die Synchrotronstrahlung zurück. Sie entsteht, wenn sich energiereiche Elektronen schnell durch ein Magnetfeld bewegen. Dieser Mechanismus kommt allerdings für die beobachtete Rekordstrahlung nicht infrage – es muss also einen anderen Motor geben. Eine Möglichkeit wäre der inverse Compton-Prozess. Dabei übertragen energiereiche Elektronen ihre Energie auf energiearme Photonen. Die Lichtteilchen kommen so auf Energien im TeV-Bereich.
Die aktuellen Messdaten bei verschiedenen Wellenlängen (Multi-Wavelength-Beobachtungen) liefern wichtige Hinweise, um die physikalischen Prozesse hinter den Gammablitzen zu entschlüsseln. Außerdem haben MAGIC-Wissenschaftler*innen inzwischen frühere Gammablitz-Beobachtungen genauer unter die Lupe genommen.
Dabei stellten sie fest, dass GRB 190114c – außer seiner relativen Nähe zu unserem Sonnensystem – kein Einzelfall ist. „Möglicherweise ist unsere Entdeckung nur ein erstes Indiz dafür, dass alle Gammablitze Strahlung auf höchstem Energieniveau aussenden“, so Mirzoyan. „Wir hoffen daher, viele weitere Gammablitze mit einer Energie im Teraelektronenvolt-Bereich zu entdecken, um mehr über diese faszinierenden Himmelsobjekte zu erfahren.“
(1) Die höchste Energie, die wir kennen, geht von Gammastrahlen aus. Sie bilden die energiereichste Strahlung im elektromagnetischen Spektrum, zu dem auch Röntgenstrahlen, UV-Licht, sichtbares Licht und Mikrowellen und Radiowellen zählen. Gammastrahlen haben eine Energie zwischen 100 Gigaelektronenvolt und 100 Teraelektronenvolt.