Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie (ART) gilt als eine der schönsten und elegantesten Theorien in der Physik. Sie beschreibt, wie Masse und Energie mit der Raumzeit wechselwirken – und damit das Phänomen der Gravitation, auch Schwerkraft genannt, herstellen. Die ART setzt voraus, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum konstant ist (Lorentzinvarianz), eine Annahme, die zahlreiche Experimente bestätigten.
Allerdings vermuten Physiker*innen, dass die ART nicht die grundlegendste Theorie ist. Eine quantenmechanische Beschreibung der Gravitation – die so genannte Quantengravitation – wäre durchaus denkbar. Einige dieser Theorien verstehen die Lichtgeschwindigkeit als energieabhängige Größe. Diese Hypothese verstößt allerdings gegen das Prinzip der unabänderlichen Lichtgeschwindigkeit. Man spricht daher von der Lorentzinvarianz-Verletzung (LIV). Bisher ging man davon aus, dass die Effekte der LIV sehr klein und nicht messbar wären – es sei denn, man könnte sie über einen langen Zeitraum erfassen.
Gammablitze als Messlatte
Genau diese Möglichkeit eröffnen zum Beispiel Gammablitze. Darunter versteht man mächtige Explosionen im All, die hochvariable und extrem energiereiche Signale, insbesondere Gammastrahlen, aussenden. Gammastrahlausbrüche sind daher exzellente natürliche Laboratorien, um die Quantengravitations-Theorien auf ihre Plausibilität hin zu prüfen: Je höher die Energie der Lichtteilchen, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich quantengravitative Effekte zeigen und sich die Lichtgeschwindigkeit verändert.
Gammablitze setzen extrem viele dieser solcher Lichtteilchen (Photonen) frei, die über Milliarden Jahre unterwegs sind, bevor sie die Erde erreichen. Am 14. Januar 2019 entdeckten die MAGIC-Teleskope einen heftigen Gammastrahlenausbruch mit Energien, die 1.000 Milliarden Mal so energiereich sind wie sichtbares Licht: Der Gammablitz war der erste, bei dem eine Energie im Teraelektronenvolt (TeV)-Bereich (*) nachweisbar war.
Grundlage für weitere Tests der Quantengravitation
Die Analyse der Beobachtungsdaten lieferten den Beleg, dass die zeitversetzte Ankunft der Gammastrahlen nicht von ihrer Energie abhing. Einstein hält somit die Stellung. „Das bedeutet aber nicht, dass das MAGIC-Team mit leeren Händen dasteht“, sagt Giacomo D’Amico, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Physik. „Wir konnten den möglichen Energiebereich für das Auftreten von Effekten der Quantengravitation weiter einengen.“
Anders als frühere Arbeiten konnte das MAGIC-Team auf Gammablitz-Signale im TeV-Bereich zurückgreifen. Damit setzt die Studie einen Meilenstein für die künftige Forschung und Überprüfung von Einsteins Theorie im 21. Jahrhundert. Oscar Blanch, Sprecher des MAGIC-Forschungsverbund erklärt: „Der beobachtete Gammablitz war relativ nahe an der Erde. Wir hoffen, künftig hellere und entferntere Objekte beobachten zu können, mit denen dann noch empfindlichere Tests der Quantengravitation möglich sind.“
(*) Gammastrahlen bilden die energiereichste Strahlung im elektromagnetischen Spektrum, zu dem auch Röntgenstrahlen, UV-Licht, sichtbares Licht, Mikro- und Radiowellen zählen. Sie haben eine Energie zwischen 100 Gigaelektronenvolt und 100 Teraelektronenvolt.