Das GERDA-Experiment

Im GERDA-Experiment, das von 2011 bis 2020 in Betrieb war, untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob das Neutrino sein eigenes Antiteilchen ist. Man spricht auch von der "Majorana"-Natur des Neutrinos. Wie das LEGEND-Experiment nutzte auch GERDA Detektoren aus Germanium-76. Die Kerne dieses Materials können zumindest theoretisch über neutrinolosen doppelten Betazerfall zerfallen. Mit einem Nachweis dieses Zerfalls wäre bestätigt, dass Neutrino und Anti-Neutrino identisch sind.

Für die Suche nach dem Zerfall, der – wenn überhaupt – nur ausgesprochen selten vorkommt, verwendete das GERDA-Experiment insgesamt 40 Kilogramm an Detektormaterial. Dies entspricht insgesamt circa 1026 Germanium-76-Kernen. Für das GERDA-Experiment wurden verschiedene innovative Konzepte und Techniken entwickelt und eingesetzt, um eine möglichst strahlungsarme Umgebung zu erzeugen. So gelang es, mögliche Störquellen weitgehend zu eliminieren beziehungsweise als solche zu erkennen. GERDA war auf diesem Feld das erste Untergrund-freie Experiment überhaupt.

Nach der neunjährigen Laufzeit von GERDA konnte mit 90 Prozent Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Halbwertszeit für den neutrinolosen Doppel-Betazerfall geringer als 1,8 x 1026 Jahre ist. Die Halbwertszeit gibt an, wie lange es es dauert, bis ein Germaniumkern mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zerfallen ist.

Die GERDA-Kollaboration besteht aus etwa 120 Mitgliedern aus 16 Instituten in sechs europäischen Ländern, darunter die Max-Planck-Institute für Physik (MPP) und Kernphysik. Die GERDA-Gruppe am MPP war für den Bau und Betrieb des Reinraums über dem Kryostaten und für die Entwicklung und den Bau der Infrastruktur verantwortlich, mit der die Detektoren in den Argon-Tank versenkt werden, das so genannte Schleusensystem. Sie und war und ist außerdem maßgeblich an der Analyse der Daten beteiligt.

Das GERDA Experiment wurde in zwei Phasen durchgeführt. In der ersten Phase wurden Detektoren eingesetzt, die die Kollaboration von Vorgängerexperimenten „geerbt“ hatte.

In der zweiten Phase des Experiments kam ein weiterer Detektor-Typ zum Einsatz. Dieser wurde speziell für das GERDA Experiment weiterentwickelt und gefertigt. Zusätzlich wurde die Infarstruktur modifiziert, indem in die direkte Umgebung der Germaniumdetektoren weitere Lichtsensoren installiert wurden. Diese erlauben es, bestimmte Untergrundereignisse als solche zu identifizieren.

Der Aufbau der experimentellen Infrastruktur dauerte von 2008 bis 2010. Die Datennahme von Phase I des GERDA-Experiments dauerte von November 2011 bis Mai 2013. Die Daten wurden mit insgesamt acht Germaniumdetektoren, die mit dem Isotop Germanium-76 angereichert sind, genommen.

Das Niveau der Untergrundstrahlung entsprach den gesteckten Zielen. Im interessanten Energiebereich betrug der sogenannte Untergrundindex 20 Ereignisse (Energieeintrag in einem der Germanuimdetektoren im entsprechenen Enrgiebereich) pro Tonne Germanium pro Jahr Messzeit in einem Energieintervall von einem Kiloelektronenvolt. Die Zusammensetzung des Energiespektrums wurde maßgeblich im Rahmen einer Dissertation am MPP entschlüsselt [Ref=Link].

Bei der Energie, wo das Signal zu erwarten wäre, konnte kein Überschuss an Ereignissen gefunden werden. Aus der Nichtbeobachtung des Zerfalls konnte ein unteres Limit für die Halbwertszeit des neutrinolosen Doppelbetazerfalls in Germanium-76 von 2,1 mal 1025 Jahre gesetzt werden (90% Sicherheit).

Um die zusätzlichen Detektoren und Lichtsensoren installieren zu können, musste der Aufbau wesentlich verändert werden. Insbesondere musste unter der Verantwortung der Gruppe am MPP ein erweitertes Schleusensystem entwickelt und gebaut werden.

GERDA Phase II nahm mit insgesamt 40 Germaniumdetektoren und dem zusätzlichen Lichtdetektorsystem von Dezember 2015 bis Dezember 2019 Daten. Auch in der zweiten Versuchsphase konnte kein einziger dem neutrinolosen doppelten Betazerfall zuzuordnender Energieeintrag nachgewiesen werden. Die neue Untergrenze für die Halbwertszeit von Germanium-76 wurde damit auf 1,8 x 1026 Jahre erhöht und entspricht somit der bisher höchsten Halbwertszeitgrenze für 0vbb-Zerfall überhaupt. Diese Grenze auf die Halbwertszeit kann in eine obere Grenze der Majorana-Neutrinomasse von 150-250 Millielektronenvolt übersetzt werden. Das heißt, ein Majorana-Neutrino wäre mindestens 2.500.000 mal leichter als ein Elektron.

In der zweiten Phase des GERDA Experiments ließ sich zeigen, dass Störsignale durch natürliche Radioaktivität um das Zehnfache reduziert werden kann. Dafür verantwortlich ist ein neuartiges Konzept zur Abschirmung. Dies ist eine wesentliche Vorausetzung, um ambitionierte Projekte wie das LEGEND Experiment mit noch höherer Empfindlichkeit in Angriff nehmen zu können.

Germanium-Detektor auf einem PEN-Halter: An der durchsichtigen Platte sind auch die elektronischen Komponenten für die Signalerkennung befestigt. (Foto: M. Willers/MPP)

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