Das ATLAS-Experiment misst derzeit Zerfälle aus Proton-Proton-Kollisionen mit der maximalen Energie von 13,6 Teraelektronenvolt. In den nächsten Jahren erlebt der LHC am CERN die größten Umbaumaßnahme seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2009. Beim Neustart im Jahr 2029 soll die Luminosität des Beschleunigerrings das Fünffache des aktuellen Werts betragen. Die Luminosität ist das Maß für die Rate der Kollisionen von Protonen am LHC. Bis 2040 wollen die am ATLAS-Experiment beteiligten Wissenschaftler*innen zehnmal mehr Daten als bisher zu sammeln.
Mit diesem Zuwachs an Daten sind präzisere Messungen der Eigenschaften des Higgs-Bosons und anderer Parameter im Standardmodell möglich. Außerdem lassen sich die vielfältigen Theorien, die neue Phänomene und Teilchen jenseits des Standardmodells vorhersagen, auf den Prüfstand stellen. „Für die direkte Suche nach Phänomenen jenseits des Standardmodells können wir künftig ein größeres Netz auswerfen – zum Beispiel für den Nachweis supersymmetrischer Partner der bekannten Elementarteilchen oder für Teilchen der Dunklen Materie im Universum“, erklärt Hubert Kroha, Projektleiter der ATLAS-Myondetektor-Gruppe am MPP. „Der HL-LHC wird die Hochenergiephysik dominieren, bis ein neuer, noch leistungsfähigerer Beschleuniger gebaut wird, über den zurzeit intensiv diskutiert wird.“
Technische Neuerungen im ATLAS-Detektor
- Der zentrale Spurdetektor wird durch einen komplett aus Siliziummodulen bestehenden Detektor ersetzt.
- Im zylindrischen Zentralteil des ATLAS-Myonspektrometers, welches das hochpräzise Messungen von Flugbahnen und Energie der Myonen erlaubt, werden in der innersten Detektorlage die bisherigen Muon Drift Tube (MDT)-Detektoren ausgetauscht. An ihre Stelle kommen neue so genannte sMDT-Kammern mit Driftrohren von halb so großem Durchmesser.
- Diese Kammern werden mit einer neuen Generation von Resistive Plate (RPC)-Triggerkammern verbunden. Beide können um eine Größenordnung höhere Teilchenzählraten verarbeiten und weisen eine zehnfach längere Lebensdauer unter der Bestrahlung am HL-LHC auf als frühere Versionen.
- Die Elektronik aller Detektorelemente, insbesondere der Myondetektoren, sowie das Triggersystem müssen komplett erneuert werden.
Schnelle Entscheidungen im Triggersystem
Das Triggersystem spielt bei der Datenaufzeichnung und -analyse am LHC – und noch viel mehr am HL-LHC – eine wichtige Rolle. Es entscheidet, welche Kollisionen mit Myonen hinsichtlich deren Energie relevant für die Auswertung sind. Damit lässt sich die zu verarbeitende Datenmenge drastisch reduzieren.
Um die Trennschärfe der Triggerentscheidung zu optimieren, hat die Arbeitsgruppe am MPP ein zukunftsweisendes Konzept entwickelt. Künftig werden bei ATLAS die für die präzise Myonenergie-Messung zuständigen Driftrohrkammern auch für die Triggerentscheidung herangezogen, die innerhalb eines Millionstels einer Sekunde stattfinden muss. Die Realisierung erfordert neue Ausleseelektronik und schnelle Algorithmen zur Rekonstruktion der Myonspuren durch die Triggerprozessoren.